Frühkastration der Hündin – evidenzbasiert: Was sagen Studien?

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Frühkastration der Hündin: Sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiken

Als Tierarzt werden Sie häufig vor die Frage gestellt, ob eine Hündin kastriert werden soll oder nicht. Neben akuten medizinischen Gründen (wie einer Pyometra), gibt es die Möglichkeit einer Frühkastration, unter anderem um Scheinträchtigkeit und Gesäugetumoren vorzubeugen. Doch wie ist die Evidenzlage der elektiven Kastration – was sind die Vorteile und welche Risiken hat die Ovariohysterektomie?

Frühkastration: Was raten Sie Patientenbesitzern?

Zur Populationskontrolle und Verhütung der Brunst wird bei Hündinnen zur Ovariohysterektomie (OHV) geraten. Dabei werden durch einen Zugang in der Medianen oder laparoskopisch die Eierstöcke und Gebärmutter entfernt.

Liegt für die Kastration keine medizinische Indikation vor, wie zum Beispiel eine Pyometra, gibt es die Möglichkeit, die Hündin entweder kurz vor dem Eintritt der Geschlechtsreife oder danach zu kastrieren. Bei der Kastration vor dem Eintritt der Geschlechtsreife spricht man auch von einer Frühkastration: Die Hündinnen sind in Deutschland zwischen fünf und acht Monate alt. Im amerikanischen Raum sogar erst acht bis 16 Wochen alt.

In der Tierärzteschaft wird diskutiert, welches Alter der Hündin aus gesundheitlichen Gründen ideal für die elektive Kastration ist. Denn es steht außer Frage, dass durch den chirurgischen Eingriff Veränderungen im Gesamtorganismus der Hündin angestoßen werden, die noch nicht vollständig verstanden sind. Diese Veränderungen bringen nicht nur gesundheitliche Vorteile, sondern auch Nachteile mit sich. Einige Rassen sind gefährdeter als andere.

Wichtig ist, dass Sie den Patientenbesitzer vor der Kastration seiner Hündin gründlich aufklären, damit er die Entscheidung anhand des aktuellen Stands der Wissenschaft treffen kann. Ihre Beratung muss dabei sachlich fundiert sein und sich an den bisher noch recht übersichtlichen Studien zum Thema Kastration orientieren.

Das sind die Vorteile der Frühkastration

Offensichtliche Vorteile einer Kastration sind, dass sowohl unerwünschte Trächtigkeiten verhindert, als auch Scheinträchtigkeit und Blutungen während der Hitze vermieden werden. Auch können keine Erkrankungen der primären Geschlechtsorgane mehr auftreten. Eine Pyometra tritt bei intakten Hündinnen gehäuft auf. Die Inzidenz wird mit bis zu 25 % bis zum Alter von zehn Jahren angegeben.

Deutliche Reduktion von Gesäugetumoren: Darüber hinaus minimiert die Kastration das Risiko der Hündin, im Alter an Neoplasien der Gesäugeleiste – die bei älteren, unkastrierten Hündinnen häufig auftreten – zu erkranken. Ungefähr die Hälfte aller Umfangsvermehrungen am Gesäuge ist beim Hund bösartig. Durch die Kastration vor der ersten Läufigkeit sinkt das Risiko deutlich, es wird mit 0,5 % angegeben. Erfolgt die Kastration zwischen der ersten und zweiten Hitze, liegt das Risiko schon bei 8 %. Dieser Effekt sinkt nach der zweiten Läufigkeit ab und das Risiko liegt bei 26 %. Dabei besteht kein Unterschied mehr, nach welcher Läufigkeit kastriert wird.

Eine Kastration steigert das Risiko bestimmter Tumorerkrankungen

Zwar schützt die Kastration vor Tumoren am Gesäuge, jedoch scheint das Risiko anderer Tumoren zu steigen. Kastrierte Hündinnen haben ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko, an einem Urothelkarzinom der Blase und Urethra zu erkranken. Die Rassen Airedale Terrier, Beagle, Collie, Scottish Terrier, Sheltie, West Highland White Terrier und Drahthaar-Foxterrier haben ein erhöhtes Risiko.

Auch steigt das Risiko der kastrierten Hündin, an einem Hämangiosarkom zu erkranken. Gegenüber nichtkastrierten Hündinnen hat sie ein 2,2-fach erhöhtes Risiko an einem Hämangiosarkom der Milz und ein fünffach höheres Risiko an einem Hämangiosarkom des Herzens zu erkranken.

Das seltene Osteosarkom, das mit einer allgemeinen Inzidenz von 0,2 % vorkommt, tritt bei kastrierten Hündinnen gehäuft auf. Die Inzidenz steigt um das 1,3- bis Zweifache. Besonders gefährdet sind Hündinnen großer Rassen, wie Dobermann, Rottweiler, Irish Setter, Irischer Wolfshund und Bernhardiner. Weitere Risikofaktoren sind zunehmendes Alter und Körpergewicht.

Kastrierte Hündinnen und orthopädische Erkrankungen

Werden Hündinnen vor der Pubertät kastriert, kommt es zu einem verzögerten Schluss der Wachstumsfuge, denn dies wird in Röhrenknochen durch die Geschlechtshormone vermittelt. Die Bedeutung dieser Verzögerung ist bislang nicht geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass der verzögerte Verschluss andere orthopädische Erkrankungen wie die Hüftdysplasie oder eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes bedingen kann. Man vermutet bei der Hüftdysplasie einen asymmetrischen Schluss der Wachstumsfuge, wodurch eine Deformation und Instabilität des Hüftgelenks mit nachfolgender Arthritis entsteht. Hinzu kommt eine starke genetische Komponente der Hüftdysplasie.

Wie bei der Hüftdysplasie, spielen beim Kreuzbandriss weitere Faktoren wie Übergewicht, unregelmäßiger Winkel des Gelenks und Rassezugehörigkeit eine Rolle. Jedoch ist diese Verletzung bei kastrierten Hündinnen häufiger zu beobachten. Neben dem verzögerten Schluss der Wachstumsfuge von Femur und Tibia wird auch der hormonelle Einfluss auf die Stabilität des Gelenks als Ursache angeführt.

Kastration und Harninkontinenz: So hoch ist das Risiko

Bis zu 20 % aller kastrierten Hündinnen leiden an einem mangelhaften Schluss des urethralen Sphinkters. Dadurch kommt es zu einem tröpfchenweisen Verlust von Urin, vor allem wenn die Hündin entspannt liegt. Dabei scheinen Hündinnen, die früh kastriert werden, besonders betroffen zu sein. Weitere Einflussfaktoren sind ein Körpergewicht über 20 kg, die Rassezugehörigkeit und die Länge der Urethra.

Übergewicht kann Folge der Kastration sein

Eine Kastration führt, unabhängig vom Alter und der körperlichen Aktivität, zu verringerten Stoffwechselraten und reduziertem Kalorienbedarf der Hündin. Weisen Sie die Patientenbesitzer darauf hin, dass die Fütterung dementsprechend angepasst werden muss, da die Hündinnen sonst übergewichtig werden.

Jedoch ist die Kastration nicht der alleinige Risikofaktor – weitere Ursachen für Übergewicht bei der Hündin sind deren Haltungsbedingungen, die Rasse und das steigende Alter. Einfluss auf das Gewicht der Hündin nimmt außerdem, wenn der Halter selbst übergewichtig oder über 40 Jahre alt ist.
Quelle: Frühkastration der Hündin

Weitere Informationen
Autorin: Tierärztin Kristina Warner
Datum: August 2016
Quellen:
Beauvais, Cardwell, Brodbelt (2012) The effect of neutering on the risk of mammary tumours in dogs – a systematic review, Journal of small animal practice, 53, 314-322
Beauvais, Cardwell, Brodbelt (2012) The effect of neutering on the risk of urinary incontinence in bitches – a systematic review, Journal of small animal practice, 53, 198-204
Nelson, R.W., Couto, C. (Hrsg.): Innere Medizin der Kleintiere, Elsevier, 2010
Root Kustritz (2012): Effects of Surgical Sterilization on canine and feline health and on society, Reproduction in domestic animals, 47 /Suppl. 4), 212-222
Smith A N (2014) The role of neutering in cancer development, Vet Clin Small Anim 44, 965-975

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