Sicher bei der Arbeit

Sicherer Umgang mit CMR-Arzneimitteln - Persönliche Schutzausrüstung in der Tierarztpraxis

Michael Klein, Elmshorn

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Arbeitsschutz in der Tierarztpraxis

Die gesundheitlichen Risiken für Personal in der tiermedizinischen Praxis sind vielfältig. Die Palette an möglichen Gefährdungen reicht vom Medikamenten- oder Strahlenkontakt über Zoonosen bis hin zu Biss-, Kratz- und Trittattacken. Ein guter Arbeitsschutz ist deshalb unerlässlich. Grundlage ist die Gefährdungsbeurteilung, bei deren Erstellung Art und Umfang der Gefährdung sowie die Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen sind. Aus den gewonnen Erkenntnissen werden geeignete Schutzmaßnahmen abgeleitet und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit überprüft. Entsprechend dem zentralen Gebot des Arbeitsschutzes, Gefahren an der Quelle zu bekämpfen (ArbSchG), ist vorrangig eine Vermeidung der Gefährdungsursache anzustreben. Eine Substitution kann im medizinischen, tiermedizinischen und pharmazeutischen Bereich meist jedoch nicht (vollständig) umgesetzt werden. Deshalb sind hier nachrangige Maßnahmen besonders wichtig. Diese sollten dem sogenannten TOP-Prinzip folgen, wonach zunächst technische (T) und organisatorische (O) Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Wo diese nicht ausreichen, gewinnen personenbezogene (P) Schutzmaßnahmen an Bedeutung. Sie werden in Form der sogenannten persönlichen Schutzausrüstung (PSA) realisiert. Aufgrund ihrer rein individuellen Auswirkung kann PSA technische und organisatorische Maßnahmen nicht ersetzen, stellt aber meist die letzte – und damit entscheidende - Barriere vor einer Gefährdung dar. Ihre Auswahl sollte deshalb mit Bedacht und unter Beachtung der entsprechenden Vorschriften erfolgen. In diesem Beitrag sollen die Anforderungen an persönliche Schutzausrüstung in einem besonders kritischen Bereich der tiermedizinischen Praxis, der Handhabung von Zytostatika und anderer CMR-Arzneimittel, beleuchtet werden.

Zytostatika und andere CMR-Arzneimittel

Krebserkrankungen sind eine häufige Leidens- und Todesursache bei Kleintieren. Mit dem Ziel, die Lebensqualität der Patienten möglichst lange zu erhalten, werden zunehmend auch bei Hunden und Katzen hochwirksame Zytostatika eingesetzt. Zwar werden die Wirkstoffe – im Vergleich zur humanmedizinischen Chemotherapie – in meist geringer Dosis verwendet, die Gefahr für Praxispersonal, mit den Wirkstoffen in Kontakt zu kommen, bleibt jedoch bestehen. Dies gilt nicht nur bei Verrichtungen, die im direkten Zusammenhang mit der Therapie stehen (Zubereitung und Applikation), sondern auch für Tätigkeiten im weiteren Umfeld der Behandlung (Materialannahme, Lagerung, Transport, Entsorgung, Reinigung). Hinzu kommt die Gefahr einer „schleichenden“ Exposition durch unbedachten Kontakt mit kontaminierten Flächen (z. B. Gefäße, Türklinken, Telefonhörer, Tastaturen). Betroffen sind deshalb alle, die mittelbar oder unmittelbar mit dem Medikament in Berührung kommen können. Die Gefährdungslage lässt sich somit klar beschreiben, wird jedoch von vielen Betroffenen unterschätzt. Kontaminationsstudien lassen erkennen, dass das Risikobewusstsein für Zytostatika gerade in tierärztlichen Praxen und Kliniken noch immer zu wenig ausgeprägt ist.
Doch was unterscheidet Zytostatika von anderen Medikamenten und macht den Umgang so problematisch? Zytostatika stellen die Wirkstoffgruppe mit den meisten CMR-Vertretern dar. Neben einer Reihe akuter Wirkungen sind es vor allem sensibilisierende und die für die Bezeichnung verantwortlichen kanzerogenen (c), keimzellmutagenen (m) und reproduktionstoxischen (r) Eigenschaften, die ihr Gefahrstoffpotenzial ausmachen. Dieses lässt sich vor allem auf die zellulären Angriffsziele (z. B. Transkriptionsvorgänge) sowie die geringe Spezifität zurückführen. Klassische, d. h. „chemisch“ agierende Zytostatika wie Alkylanzien gelten als besonders CMR-relevant. Aber auch für viele moderne antineoplastische Wirkstoffe wie bestimmte Tyrosinkinase-Inhibitoren und monoklonale Antikörper konnte ein zumindest fruchtschädigendes Potenzial nachgewiesen werden.

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Zytostatikaschutz in der Tierarztpraxis

Schutzmaßnahmen

Risikobezogene Maßnahmen beim Umgang mit CMR-Stoffen werden vom Gesetzgeber gefordert (GefStoffV) und in einer Reihe von Empfehlungen konkretisiert. Maßgeblich im Hinblick auf CMR-Arzneimittel ist die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 525, in der festgelegt und erläutert wird, „welche Maßnahmen in Einrichtungen zur humanmedizinischen und veterinärmedizinischen Versorgung zum Schutz der Beschäftigten nach dem Stand der Technik zu treffen sind“. Neben der Verpflichtung zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung werden direkt umsetzbare Schutzmaßnahmen genannt. Dem oben genannten TOP-Prinzip folgend zählen dazu technische Mittel (z. B. Sicherheitswerkbank, flüssigkeitsaufnehmende Unterlagen, sichere Verbindungs- und Überleitsysteme), organisatorische Maßnahmen (z. B. zentrale Zubereitung, Festlegung von definierten Arbeitsprozessen und Arbeitsplätzen) sowie die persönliche Schutzausrüstung. Beim Umgang mit CMR-Stoffen im medizinischen Bereich sollte sie zumindest aus Chemikalien-Schutzhandschuhen und einem hochgeschlossenen Kittel mit langen Ärmeln und eng anliegenden Bündchen bestehen. Flüssigkeitsdichte Armstulpen können eine sinnvolle Ergänzung bilden. Applikationsformen, bei denen offen mit den Substanzen umgegangen wird, sowie die intensive Reinigung (potenziell) kontaminierter Bereiche erfordern weitere PSA-Komponenten wie z. B. eine Schutzbrille mit Seitenschutz und eine Atemschutzmaske mit hohem Abscheidegrad für luftgetragene Partikel (Schutzklasse FFP 3).

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Schutzhandschuhe für die Zytostatika Zubereitung

Anforderungen an PSA

Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit von PSA ergeben sich aus der sog. „PSA-Verordnung“ der EU (Verordnung (EU) 2016/425). Sie regelt die Bereitstellung entsprechender Produkte und legt fest, welche Voraussetzungen für den länderübergreifenden Handel erfüllt sein müssen. Ein wichtiges Kriterium ist dabei das Risiko, gegenüber dem sich der Nutzer schützen soll. Tätigkeiten, bei denen - wie bei der Handhabung von CMR-Substanzen - mit einer schwerwiegenden Gesundheitsgefährdung zu rechen ist, erfordern PSA der höchsten Risikokategorie (Kategorie III). Diese Produkte unterliegen strengen Anforderungen: Bevor sie in den Verkehr gebracht werden dürfen, hat der Hersteller die Übereinstimmung mit spezifischen Leistungsvorgaben zu bestätigen. Eine zu diesem Zweck beauftragte unabhängige „notifizierte“ Prüfstelle testet das Produkt auf Grundlage geltender Normen. Im Rahmen der sogenannten Baumusterprüfung und regelmäßiger Kontrollen der Fertigungsqualität muss garantiert werden, dass die PSA grundlegende Anforderungen erfüllt. Der erfolgreiche Prozessverlauf kann durch eine CE-Kennzeichnung in Kombination mit der vierstelligen Kennnummer der notifzierten Stelle sichtbar gemacht werden. Obwohl die PSA-Verordnung in erster Linie auf die Aktivitäten sogenannter „Wirtschaftsakteure“ zielt, haben die dort formulierten Anforderungen Auswirkungen auf die Umsetzung des Arbeitschutzes: Gemäß der PSA-Benutzungsverordnung (PSA-BV) darf der Arbeitgeber nämlich „nur persönliche Schutzausrüstungen auswählen und den Beschäftigten bereitstellen, die den Anforderungen der Verordnung über das Inverkehrbringen von persönlichen Schutzausrüstungen entsprechen.“ Nicht zuletzt aus Haftungsgründen sollte deshalb für den Umgang mit CMR-Substanzen ausschließliche als Kategorie III zertifizierter PSA eingesetzt werden.
Am Beispiel von Schutzhandschuhe soll die Umsetzung wichtiger physikalischer Prüfungen und die daraus ableitbaren Folgerungen verdeutlicht werden: Bei Handschuhen, die zur Kontaminationsprävention beim Umgang mit CMR-Arzneimitteln eingesetzt werden, handelt es sich in der Regel um Produkte zum einmaligen Gebrauch. Trotzdem müssen die Handschuhe nachweislich für einen festgelegten Zeitraum der Durchdringung und Zersetzung durch chemische Substanzen widerstehen. Als geeignet gelten „Schutzhandschuhe gegen gefährliche Chemikalien“. Im Rahmen der Baumusterprüfung wird die Leistungsfähigkeit dieses Handschuhtyps durch normgerechte Prüfung der Penetration (DIN EN 374-2), der Permeation (DIN EN 16523-1) und der Degradation (DIN EN 374-4) ermittelt und bewertet. Dies erlaubt eine Einschätzung der Schutzwirkung und einen direkten Vergleich verschiedener Produkte. Auch die TRGS 525 verweist auf diese Prüfungen und verlangt für den Umgang mit CMR-Arzneimitteln Schutzhandschuhe, die „mindestens die Grundanforderungen nach DIN EN 374 erfüllen“. In Praxen häufig eingesetzte „Medizinische Handschuhe zum einmaligen Gebrauch“ entsprechen diesen Anforderungen nicht. In der ihrer Bezeichnung zugrunde liegenden Normenreihe (DIN EN 455) ist weder eine Prüfung der Penetration noch der Degradation vorgesehen. Schutzeigenschaften medizinischer Handschuhe gegenüber Chemikalien lassen sich demzufolge nicht einschätzen; eine dem hohen Risiko entsprechende Schutzwirkung somit auch nicht belegen. Aber auch Prüfergebnisse für Chemikalien-Schutzhandschuhe erfordern meist eine über die pauschale Aussage „geeignet“ hinausgehende Einordnung. So repräsentieren die zur Permeations-Prüfung vorgesehenen Chemikalien (DIN EN 374-1) die physikochemischen Eigenschaften von CMR-Arzneimitteln nur ungenügend. Eine konkrete Bewertung der CMR-Eignung ist daher nur möglich, wenn der Hersteller zusätzliche Prüfungen mit spezifischen Wirkstoffen durchführt. Zwar ist eine Prüfung aller am Markt verfügbaren Arzneimittel mit CMR-Verdacht nicht möglich, Tests mit den gängigsten Vertretern erlauben aber bereits eine zuverlässigere Bewertung als die die Normprüfung allein.

Nutzung und Notfall

Trotz gesicherter Mindestanforderungen durch den Einsatz zertifizierter Produkte trägt die richtige Nutzung wesentlich zur Schutzwirkung von PSA bei. Wichtige Aspekte hierbei sind die Lagerung, die Tragedauer und die Vorbehandlung. So sollten die Produkte auch bei günstigen Aufbewahrungsbedingungen (kühl, trocken, dunkel) nicht über den vom Hersteller empfohlenen Nutzungszeitraum hinaus eingesetzt werden. Durch eine visuelle Prüfung der Integrität vor der Verwendung lässt sich die Sicherheit weiter erhöhen. Der Tatsache, dass die Schutzwirkung, insbesondere in Bezug auf Permeations- und Degradationsvorgänge, zeitlich begrenzt ist, sollte mit einer Tragedauerbegrenzung bzw. mit einer Wechselpflicht begegnet werden. Die als Ergebnis von Normtests angegebenen Durchbruchzeiten sind allerdings kein geeigneter Orientierungspunkt, da sie unter wenig realitätsnahen Bedingungen ermittelt werden. Die Schutzwirkung von Handschuhen lässt sich im Bedarfsfall deutlich erhöhen, wenn zwei Schichten übereinander getragen werden. Der zwischen den Handschuhen entstehende Luftspalt bildet dabei eine besonders schwer zu überwindende Permeationsbarriere. Dieses sogenannte „double gloving“ bietet zusätzlichen Schutz auch dann, wenn die Handschuhe vor oder während der Nutzung mit einem Desinfektionsmittel behandelt werden. Aufgrund der kaum vorhersagbaren Wirkung von Desinfektionsmitteln und anderen Chemikalien, sollte nach Möglichkeit allerdings auf eine Vorbehandlung verzichtet werden.
Bei Vor- und Nachbereitungsarbeiten, vor allem aber bei der Applikation am ungeduldigen Patienten, lässt sich häufig eine unbeabsichtigte Freisetzung von CMR-Stoffen nicht vermeiden. Die Beseitigung dieser sogenannten „Spills“ stellt einen offenen und damit besonders kritischen Umgang dar. Die TRGS 525 verlangt, für diese Situationen ein Notfall-Set („Spill-Kit“) bereitzuhalten, das neben einer Reihe von Hilfsmitteln vor allem geeignete PSA-Komponenten enthält. Damit eine gefahrlose Beseitigung der Verschüttung möglich ist, sollten mindestens folgende PSA-Einmalartikel vorhanden sein: Überschuhe, ein flüssigkeitsdichter Schutzkittel mit langem Arm und enganliegen dem Bündchen oder ein Overall, eine Schutzbrille, flüssigkeitsdichte Schutzhandschuhe mit ausreichender mechanischer Festigkeit sowie eine Atemschutzmaske FFP 3. Um eine Durchdringung auszuschließen, aber auch, um bei Glasbruch sicher agieren zu können, ist darüber hinaus ein zweites Paar Schutzhandschuhe empfehlenswert. Konfektionierte Spill-Kits, die sich an die Vorgaben der TRGS halten und diese um sinnvolle Hilfsmittel ergänzen (Zange, Kurzanleitung, Entsorgungsbeutel usw.), vereinfachen die Bereitstellung und stellen eine vorschriftenkonforme Ausstattung sicher.

Zusammenfassung und Fazit

Entsprechend der gestiegenen Bedeutung von Zytostatika und anderen CMR-Arzneimitteln in der tierärztlichen Praxis müssen Arbeitschutzmaßnahmen vermehrt auch auf diese Gefahrstoffe ausgerichtet sein. Dies betrifft alle Beschäftigten, die mit diesen Substanzen in Kontakt kommen können. Ein wichtiges Maßnahmenpaket umfasst die Bereitstellung und Nutzung geeigneter persönlicher Schutzausrüstung. Wichtige Komponenten sind Schutzhandschuhe und Kittel, die durch flüssigkeitsdichte Armstulpen ergänzt werden können. Um einen ausreichenden Mindestschutz zu gewährleistenden und den gesetzlichen Vorgaben zu genügen, darf nur zertifizierte PSA der Kategorie III eingesetzt werden. Zusätzliche Prüfungen zum Nachweis der Schutzwirkung gegenüber den verwendeten Gefahrstoffen erlauben eine konkrete Abschätzung des Leistungsvermögens. Eine vorausschauende Nutzung, die die Unversehrtheit der Produkte einschließt, kann die Sicherheit nochmals erhöhen. In der Praxis bewährt haben sich Einwegprodukte, die keiner Abnutzung unterliegen und deshalb ein gleichbleibendes Schutzniveau sicherstellen. PSA allein stellt jedoch keinen umfassenden Arbeitsschutz dar. Erst eine Kombination aus technische, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen schafft die Voraussetzung für sichere Arbeitsbedingungen – auch und gerade beim Umgang mit Zytostatika.

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